Geschichte(n) im Konjunktiv: Die 11er Geschichtskurse in der Ausstellung „Roads not taken“ im DHM am 13. Februar 2025

Am 13. Februar 2025 waren die Geschichtskurse des 11. Jahrgangs auf einer gemeinsamen Exkursion in die Ausstellung „Roads not taken. Oder: Es hätte auch anders kommen können“ im Deutschen Historischen Museum. In Kleingruppen wurde erarbeitet, wie die deutsche Geschichte an besonderen Wendemarken des 20. Jahrhunders wie 1933, 1945 oder 1989 auch anders hätte verlaufen können. Die Beschäftigung mit Alternativverläufen der Geschichte – ,was wäre geschehen, wenn…‘ – schärfte den historischen Möglichkeitssinn und das Urteilsvermögen der Schüler:innen.

1914

Historischer Konjunktiv: Hätte der Erste Weltkrieg verhindert werden können, wenn die SPD zum Generalstreik und begleitenden Protestaktionen aufgerufen hätte?

Erkenntnisgewinn: Anders als die Propaganda von der allgemeinen Kriegsbegeisterung im August 1914 es will, gab es insbesondere in der Arbeiterschaft starken Widerstand gegen den Krieg.

1918

Historischer Konjunktiv: Hätte Prinz Max von Badens Vision einer parlamentarischen Monarchie mehr Stabilität für den Weimarer Staat gebracht?

Erkenntnisgewinn: Jenseits der doppelten Republikausrufung (Scheidemann vs. Liebknecht) gab es eine dritte (konservative, aber potentiell mehrheitsfähige) Option für die Staatsgründung.

1929

Historischer Konjunktiv: Hätte der Untergang der Weimarer Republik abgewendet werden können, wenn Brüning seinen wirtschaftspolitischen Kurswechsel hätte umsetzen können?

Erkenntnisgewinn: Ein konkretes Maßnahmepaket lag in der Schublade von Brünings Reichskanzlei, war aber sicher kein Patentrezept gegen die Wirtschaftskrise.

1933

Historischer Konjunktiv: Hätte Hitlers Machtergreifung 1933 verhindert werden können, wenn die Reichswehr militärisch eingegriffen hätte?

Erkenntnisgewinn: Die NS-Herrschaft hätte möglicherweise durch die Reichswehr verhindert werden können, die Alternative wäre allerdings eine Militärdiktatur unter Schleicher/Hammerstein gewesen.

1936

Historischer Konjunktiv: Hätte Hitler nach seiner völkerrechtswidrigen Annexion des Rheinlandes im März 1936 durch eine militärische Intervention der Alliierten zum Rückzug gewungen werden können?

Erkenntnisgewinn: Hitler spielte Vabanque, die Reichswehr war der französischen Armee zahlenmäßig deutlich unterlegen – Hitler hätte eine empfindliche Niederlage erleiden können.

1944

Historischer Konjunktiv: Hätte die Welt vor der Katastrophe bewahrt werden können, wenn das Stauffenberg-Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 geglückt wäre?

Erkenntnisgewinn: Die Verluste des Deutschen Reichs in der letzten Kriegsphase hätten vermieden werden können; um die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung zu verhindern, kam das Attenat jedoch viel zu spät.

1945

Historischer Konjunktiv: Hätten die Amerikaner eine Atombombe auf Berlin und/oder Ludwigshafen geworfen, wenn die Sprengung der Brücke bei Remagen gelungen wäre?

Erkenntnisgewinn: Wenn sich die Kapitulation des Deutschen Reichs allzu sehr verzögert hätte, wäre ein Einsatz von US-Nuklearwaffen ein realistisches Szenario gewesen.

1948

Historischer Konjunktiv: Hätte es 1948/1949 in Deutschland wie in Korea zum ,heißen‘ Krieg, also einer direkten militärischen Auseinandersetzung zwischen Ost und West kommen können?

Erkenntnisgewinn: Die Luftbrücke der Amerikaner trug zur Vermeidung einer militärischen Eskalation bei, indem sie einer Isolation West-Berlins aus dem westalliierten Verteidigungsraum vorbeugte.

1952

Historischer Konjunktiv: Wäre es zu einer schnellen Wiedervereinigung von BRD u. DDR (unter kommunistischem Vorzeichen) gekommen, wenn die sogenannte Stalin-Note akzeptiert worden wäre?

Erkenntnisgewinn: Vieles spricht dafür, dass die Stalin-Note primär ein Störmanöver war, um den fortschreitenden Prozess der Westanbindung der BRD zu verzögern.

1961

Historischer Konjunktiv: Hätte es nach dem Mauerbau ab dem 13. August 1961 zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Ost und West mit dem Einsatz von Nuklearwaffen kommen können?

Erkenntnisgewinn: Informationsmaterial des Zivilschutzes für die allgemeine Bevölkerung in der BRD dokumentiert eindrucksvoll, als wie real diese Bedrohung wahrgenommen wurden.

1972

Historischer Konjunktiv: Wäre Willy Brandts Ostpolitik der Aussöhnung und Entspannung revidiert worden, wenn das konstruktive Misstrauensvotum 1972 seine Kanzlerschaft beendet hätte?

Erkenntnisgewinn: Nur zwei Stimmen fehlten dem CDU-Oppositionsführer Rainer Barzel zum Sturz der sozialliberalen Regierung – diese scheiterte dann allerdings 1974 infolge der Guillaume-Affäre.

1989

Historischer Konjunktiv: Hätten die Massendemonstrationen in der DDR im Herbst 1989 militärisch niedergeschlagen und die friedliche Revolution so verhindert werden können?

Erkenntnisgewinn: Einsatzpläne der SED-Führung für die NVA lagen vor, es kann als ein Glücksfall der deutschen Geschichte gelten, dass die Wiedervereinigung 1989/1990 auf friedlichem Wege gelang.

Text u. Fotos: Kaspar Renner, Clara, Ella, Maya u. Anne-Sophie (11. Jg.)

Literatur: Katalog zur Ausstellung „Roads not taken“

Abschlussreflexion

von Clara u. Ella (11. Jg.)

Die Ausstellung „Roads not taken. Oder: Es hätte auch anders kommen können.“ fanden wir aufgrund des Bezugs zu den Themen des Geschichtsunterrichts dieses Jahres sehr informativ und interessant. In Kleingruppen setzten wir uns in den Unterrichtsstunden vorher mit einer selbst ausgesuchten Wendemarke der Geschichte von 1914 bis 1989 auseinander und waren dadurch gut vorbereitet, uns mit Texten, Bildern und anderen Ausstellungsstücken während der Exkursion zu beschäftigen. Das Ereignis, über das wir unser Wissen zuvor vertieften, haben wir dann unseren Mitschüler:innen in einem Rundgang durch die Ausstellung vorgestellt. Die Beschäftigung mit den Hintergründen von Entscheidungen, die zum letztendlichen Ausgang der Geschichte führten, schärfte unser historisches Bewusstsein in Hinsicht auf den Einfluss verschiedener Faktoren einer in der Geschichte getroffenen Entscheidung. Obwohl im Ausstellungsraum manchmal etwas Verwirrung durch die nicht ganz klare Trennung von Real- und Alternativverläufen entstand, wurden uns neue Perspektiven eröffnet, wie die Geschichte anders hätte verlaufen können.

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