Filmworkshop „Pimpf war jeder“ zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2025

Der Abiturjahrgang beschäftigte sich am 27. Januar 2025, dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau, mit dem Dokumentarfilm „Pimpf war jeder“ von Erwin Leiser. Dabei lag der Fokus auf den Zeitzeugeninterviews und ihrer Bedeutung für die historische Aufarbeitung des Holocaust.

Ein Referent vom Deutschen Historischen Museum führte die Schüler:innen in den Film ein und erklärte ihnen das Konzept der „Oral History“. Viele wussten nicht, was sie erwarten würde. Der Regisseur Erwin Leiser, selbst von 1932 bis 1938 Schüler am Grauen Kloster, interviewte 50 Jahre später sich selbst und 16 seiner ehemaligen Mitschüler – darunter drei jüdische Schüler und einen Halbjuden. Während diese von Diskriminierung und Ausgrenzung berichteten, erinnerten sich andere an eine „schöne Schulzeit“ und leugneten bzw. verdrängten die Geschehnisse.

Der Dokumentarfilm zeigt, dass der Nationalsozialismus auch an unserer Schule vertreten war. Die Beleuchtung mehrerer Zeitzeugen legte offen, dass Naivität und Verdrängung nicht nur damals präsent waren, sondern auch 50 Jahre später noch als Rechtfertigung des Holocausts genutzt wurden.
Der 90-minütige Dokumentarfilm präsentiert Einblicke unter anderem vom familiären Hintergrund der Schüler, den Lehrern, der Hitlerjugend, den Novemberpogromen, dem Abitur, dem Krieg und der Zeit danach. Besonders eindrücklich waren die gegensätzlichen Wahrnehmungen: Während jüdische Schüler von Demütigungen wie „Judenschwein“ und Ausgrenzungen wie „Wir waren (…) unsichtbar geworden“ oder „Mein Vater war im KZ“ berichteten, standen im Kontrast dazu Aussagen wie: „Das war eine schöne Zeit, wir hatten ein gutes Klassenteam“, „Wir hatten eine schöne, behütete Jugend“ und „Meiner Meinung nach waren jüdische Kinder gut integriert“.

Auch die Rolle der Lehrer wurde kritisch beleuchtet: Obwohl es „eigentlich“ nur zwei NSDAP-Mitglieder unter ihnen gab, wurden judenfeindliche Äußerungen getätigt, etwa die Frage: „Wie können sich deutsche Jungs von Juden überflügeln lassen?“, nachdem die jüdischen Schüler die besten Klassenarbeiten schrieben.
Erschreckend war die Erkenntnis, dass jüdische Schüler nach der Pogromnacht 1938 die Schule verlassen mussten, während ein sogenannter ,Halbjude‘ bleiben durfte – unter der Bedingung, den NS-Staat öffentlich zu unterstützen, obwohl sein Vater in einem KZ ermordet wurde. Ihm wurde gedroht, dass sonst alle Mitschüler kein Abitur machen dürften.
Besonders auffällig war die Verdrängung vieler nichtjüdischer Schüler, die sich an Ausgrenzungen nicht erinnern konnten – oder nicht wollten. „Es war eigentlich kein Nazi in meiner Klasse, äh …, das eigentlich muss rausgeschnitten werden“ oder „Ein Vater könnte doch geäußert haben, dass es gut ist, dass alle Juden weg sind.“ Einige lehnten die Teilnahme am Filmprojekt ab, während andere behaupteten, erst nach Kriegsende von den Gräueltaten erfahren zu haben.
Der Titel des Films „Pimpf war jeder“ verdeutlicht das Problem: Die Rechtfertigung des Mitläufertums und das fehlende Eingeständnis von Mitschuld, selbst 50 Jahre später.
Nach dem Film gab ein Nachgespräch in großer Runde die Möglichkeit, Fragen zu stellen und erste Eindrücke zu teilen.

Dann ging es in die Gruppen-Erarbeitungsphase:
Unser Jahrgang wurde in Gruppen unterteilt, wobei jede davon sich mit einer anderen Frage beschäftigte:
Welche Schwierigkeiten und welche Chancen beinhaltet „Oral History“?
Welche Erinnerungen haben Verfolgte? Welche Nichtverfolgte? Und welche Unterschiede sind zu erkennen?
Welche Ereignisse werden kaum thematisiert und warum?
Wie können die Erinnerungen der Zeitzeugen erhalten werden, wenn die Zeitzeugen nicht mehr leben?

Die Gruppen haben reflektiert, diskutiert, unterschiedliche Aspekte miteinbezogen und daran gearbeitet, ihre Fragen zu beantworten. Zur Hilfe stand den SchülerInnen auch der Referent des Deutschen Historischen Museums sowie von ihm bereitgestellte Materialien und Texte.

Die Ergebnisse wurden anschließend präsentiert und diskutiert. Besonders wurde deutlich, wie wertvoll „Oral History“ für die Aufarbeitung des Holocaust ist. Zwar wird das Thema im Unterricht behandelt, doch die direkten Berichte der Zeitzeugen machen die Geschichten greifbarer, vermitteln Emotionalität, sensibilisieren und verdeutlichen unsere Verantwortung, dass sich solche Verbrechen nie wiederholen dürfen.

Der Film zeigt, dass der Nationalsozialismus auch an unserer Schule präsent war und nicht immer im Einklang mit den christlichen Werten gehandelt wurde. Umso wichtiger ist es, dass unser Jahrgang seit acht Jahren den Holocaust-Gedenktag dazu nutzt, die Vergangenheit aufzuarbeiten und ein Bewusstsein für die Gegenwart zu schaffen.
Text: Teresa, Amelie u. Elisa (12. Jg.), redigiert durch den 12. Jg.
Fotos: Elisa (12. Jg.)