Hebräisch ist dufte!

„Nach Latein und Altgriechisch auch noch Hebräisch – seid Ihr denn völlig meschugge?“ – eine Frage, mit der wir durchaus das ein oder andere Mal konfrontiert wurden. Und um das direkt zu beantworten: Nein, sind wir nicht und wir sind auch keine Nerds, die intellektuell unterfordert waren, also zumindest ich nicht. Wohin unser Weg uns führt, das wissen manche von uns noch nicht genau und in der Obertertia – als wir uns für die Hebräisch-AG entschieden und angemeldet haben – da wussten wir es erst recht nicht. Allerdings stand und steht fest – um gleich zu Beginn mit einem weiteren Vorurteil aufzuräumen: keiner aus unserem Kurs wird wohl Theologie studieren. Also warum dann Hebräisch, wenn man doch schon für Latein und Altgriechisch so viel malochen muss?

Jeder von uns hatte seine ganz persönlichen Gründe. Bei mir war es die Verbundenheit zu einem Teil meiner Familie und eine Faszination für Sprachen, Geschichte und Religion, bei anderen stand das Interesse für die Kultur im Vordergrund und einige wollten tatsächlich gezielt die klassische humanistische Bildung mit der dritten der „tres linguae sacrae“ abrunden. Was aber bei allen vorhanden war, das war Neugierde. Und da wurden wir in den letzten drei Jahren nicht enttäuscht!

Ihr wollt wissen, was Euch erwartet? Na dann: lasst uns Tacheles reden!

Biblisches Hebräisch ist eine ganz eigene Sprache und mit Nichts vergleichbar, was ihr sonst bisher gelernt habt. Das hebräische Alphabet besteht aus 22 Buchstaben, von denen genau … 22 Konsonanten sind. Hinzu kommen 12 Vokalzeichen. Die Vokale sind aber nicht Teil des Wortgerüstes, der Bedeutung des Wortes, und man muss die Aussprache gewissermaßen „erraten“.  Na? Schon Tohuwabohu im Kopf? Ich gebe zu: Diese Tatsache verunsichert erstmal, zumal – um es auf die Spitze zu treiben – auch noch von rechts nach links gelesen und geschrieben wird. Aber das Hebräische baut Verben und Wörter nach bestimmten Mustern auf, was beim Lernen hilft, denn es gleicht einem Konstruktionsspiel. 

Also: Keinen Bammel! Insgesamt ist es einfacher als viele denken, denn die Sprache hat keine Fälle, eine leicht zu lernende Grammatik und einen überschaubaren Grundwortschatz von wenigen Hundert Wörtern.

Wir sind in der AG auch nicht nach einem formalen grammatischen System vorgegangen, wie in Latein oder Altgriechisch. Es ging eigentlich von Anfang an darum, die Fähigkeit zu erwerben, die hebräischen Texte des Alten Testaments zu lesen und zu verstehen. Deshalb haben wir zuerst die Schriftzeichen in Druck- und Schreibschrift gelernt und die hatten wir alle nach wenigen Wochen mit Schreibübungen wie in der Grundschule drauf. Dann kamen nach und nach in sehr überschaubaren Portionen Lernvokabeln und ein wenig Grammatik dazu, die neben dem normalen Schulstoff – auch und insbesondere dem in der 10. Klasse mit den Profilkursen und allem Drum und Dran – wirklich gut erlernbar waren. Daneben haben wir quasi von Anfang an mit hebräischen Originaltexten gelernt. Und tatsächlich: Nach wenigen Monaten war es uns möglich, Texte des Alten Testaments mithilfe eines Lexikons mehr oder weniger selbständig und vor allem gemeinsam zu übersetzen. Das war nicht nur ein schönes Gemeinschaftserlebnis, sondern auch Gemeinschaftserfolg!

Wie schnell wir Schrift, Wörter und Bedeutung erlernt haben, durften wir zum Beispiel in einer Skizze zum Bereschit (Am Anfang), also den Berichte über die Erschaffung der Welt, festhalten. Hier zeige ich Euch meine Skizze: 

Ihr denkt daran – Ihr lest von oben nach unten und von rechts nach links – und dann erklärt sich quasi das letzte Bild ganz von allein, denn „Gtt sah, dass es gut war.“ (Gen 1,12). 😉

Die AG ist so aufgebaut, dass man nach drei Jahren, also geschlaucht nach den Abiturprüfungen und vor dem hoffentlichen Jubel bei der Verleihung des Abi-Zeugnisses, die Hebraicum-Prüfung ablegen kann, aber das ist absolut freiwillig. Dass wir uns dafür gut vorbereitet gefühlt haben, sieht man daran, dass alle, die die AG von der 10. bis zur 12. Klasse belegt haben, sich auch für das Hebraicum angemeldet haben.

Ich hatte nie das Gefühl, etwas Überflüssiges oder Unbrauchbares zu lernen. Im Gegenteil: Biblisches Hebräisch hat mir nicht nur eine neue Sprach- sondern auch eine andere Gedankenwelt eröffnet. Wie bei den anderen Alten Sprachen auch, zwingt die Besonderheiten der Sprache zu einer Langsamkeit und einer intensiven, gründlichen Lektüre. Man stellt mehr als bei anderen Sprachen fest, dass jede Übersetzung auch interpretiert, und versucht dem Original so nah wie möglich zu kommen; so nah, wie es mit einer aktiven Muttersprache eben geht. Wenn man aber den Originaltext übersetzen kann – das funktioniert ab dem zweiten Lernjahr schon ganz gut -, dann ist man gezwungen, einige Bilder der Bibel und vielleicht auch des Glaubens zu überdenken, weil man eben feststellt, dass die Übersetzung oft nicht genau wie das Original ist. Heißt es von Latein, dass man dadurch lernt, zu Lernen, kann man von Hebräisch sagen, dass man dadurch ein anderes Denken erlernt, indem man Bedeutungen von Worten ergründet und hinterfragt. Das kann ich natürlich so erst jetzt sagen, nach drei Jahren Hebräisch und zwischen schriftlicher und mündlicher Hebraicum-Prüfung. Hätte ich das schon in der Obertertia gewusst – ich hätte Hebräisch erst recht gewählt!

Die Hebräisch-AG ist aber viel mehr als nur Spracherwerb: Wir haben uns neben dem Biblischen Hebräisch auch mit Jiddisch und modernem Hebräisch (Ivrit) befasst und wissen jetzt, warum wir uns bis heute in Deutschland einen „Guten Rutsch ins Neue Jahr“ wünschen. Thema waren aber auch Fragen des Judentums (zum Beispiel zum Gottesnamen und wie es im Judentum zum Namenstabu kam) und des heutigen Volkes und Staates Israels. Daneben haben wir jüdische Feste gefeiert und dadurch jüdische Kultur kennengelernt, was nicht nur Spaß gemacht hat, sondern auch überaus köstlich war: Denn natürlich ist Kultur auch Essenskultur! Und schließlich war ein besonderes Erlebnis der Besuch der Synagoge in der Oranienburger Straße zum Schabbat. 

Allen, die sich auf diese jahrhundertealte Entdeckungsreise begeben, wünsche ich den Spaß, den wir hatten, ebenso viele bereichernde Reiseeindrücke und natürlich Hals- und Beinbruch! 

Zum Schluss noch folgender Hinweis: Das Hebräische hat direkt bzw. über das Jiddische viele Spuren im Deutschen hinterlassen. Ihr kennt und nutzt wahrscheinlich schon einige Worte, ohne dass Euch das bis jetzt vielleicht bewusst war! In diesem Artikel haben sich 11 solcher Begriffe versteckt. Wer findet sie alle? Eure Lösungen könnt Ihr bei Herrn Finke abgleichen.

Anna-Viviane Legat, Abiturientin 2023

Das Wichtigste nochmal zusammengefasst:

Hebräisch wird ab der 10. Klasse bis zum Abitur als AG unterrichtet. Der Kurs findet einmal pro Woche zweistündig statt. Nach drei Jahren kann man, wenn man möchte, noch das Hebraicum ablegen.
5 Gründe, WARUM man Hebräisch lernen sollte: 
- um die in der Bibel beschriebene Zivilisation kennenzulernen und natürlich um zu verstehen, woher das jüdisch-christliche Denken stammt, das die europäische Welt im weitesten Sinne des Wortes, ihre Moral und ihre Prinzipien begründet hat;
- um die klassische Ausbildung aus Latein und Altgriechisch zu ergänzen;
- um sich für ein Studium der antiken Geschichte, der Archäologie, der Alten Sprachen oder vielleicht doch der Theologie zu entscheiden – weil man dann den sogenannten „heimlichen NC“ schon vor Studienbeginn kostenlos in der Tasche hat; 
- um – wenn man mag – eine Basis für weitere Sprachen zu legen, denn: Kennt man eine semitische Sprache, kennt man ansatzweise alle;
- aus Neugierde und einfach, weil es Spaß macht!

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