Andacht anlässlich des Überfalls auf die Ukraine

Begrüßung durch die Schulleiterin: 
Liebe Schulgemeinde,
wir sind heute morgen hier zusammengekommen, weil uns die Situation in der Ukraine mit Entsetzen, Angst und Sorge erfüllt. 
Wir fühlen uns ohnmächtig angesichts der Sprache und Macht der Waffen.
Wir fühlen mit den Menschen in der Ukraine und auch in Russland, deren Leben bedroht ist. 
Wir fühlen mit den Familien an unserer Schule, deren Verwandte in der Ukraine und in Russland leben. 
So lasst uns innehalten und gemeinsam der betroffenen Menschen gedenken und für sie beten. 

Votum (Schulpfarrerin Dannenmann): Wir halten inne, als Schulgemeinde des Grauen Klosters.
Wir halten inne
im Namen Gottes, der Schalom!, Friede! in Leuchtschrift an den Himmel schreibt,
im Namen Jesu, der Versöhnung lebte und den Weg der Liebe ging, ohne Wenn und Aber.
im Namen der Heiligen Geistkraft, Gottes ewige, zarte und starke Flamme des Mitgefühls
in unseren Herzen, die uns leiten möge in Wort und Tat.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. 
Amen.


Situation und Hinführung zum Kyriegebet 
Gestern früh – ein Moment des Entsetzens beim Aufwachen. 
Ich gestehe, ich habe es nicht wirklich geglaubt oder besser: ich habe es mir einfach nicht vorstellen können.
Krieg? Krieg in Europa? Krieg, um nationale Interessen durchzusetzen?
Das sollte doch nicht mehr sein. 
Das wollte doch niemand hier mehr tun.
Und dann geschieht es doch. 
Kein begrenzter militärischer Einsatz im Donbass, das wäre ja schlimm genug. 
Nein, ein Angriff Russlands auf die gesamte Ukraine. 
Menschen sind gestorben, gestern, in dieser Nacht. 
Menschen aus der Ukraine, auch Menschen aus Russland.
Überall Bombenangriffe.
Viele sind auf der Flucht, jäh aus ihrem Leben herausgerissen, 
aus der Schule, aus der Arbeit, aus ihrem vertrauten Umfeld.  
Andere haben den Befehl bekommen zu bombardieren, zu töten.
Menschen werden aufeinandergehetzt, 
auf Befehl eines größenwahnsinnigen Machthabers und seiner Regierung.
Es ist Krieg. Krieg in Europa. 
Wir sind hier zusammen, um unser Entsetzen darüber zu teilen, unsere eigenen Ängste, unser Mitgefühl mit den direkt betroffenen Menschen.

Es gibt ein Gebet im Gottesdienst, in dem Menschen ihre Klagen vor Gott bringen.
Ganz ungeschützt. Nichts wird beschönigt. Alles darf benannt werden.
Wir rufen Gott herbei, 
hinein in unsere Ängste, in das Leid der Menschen 
im Vertrauen, dass er zuhört, zutiefst Anteil nimmt, uns Kraft geben will.
Wir sprechen daher gemeinsam nach den einzelnen Gebetsanliegen den alten Ruf: 
Kyrie eleison – Herr erbarme dich.
Und wir sprechen beides, die griechische und die deutsche Version und ich lade euch ein, einzustimmen: 
Kyrie eleison – Herr erbarme dich.


Gebet 
1. Gott, 
was geschieht denn nur? 

Wir können es nicht fassen. 

Die Nachrichten überschlagen sich. 

Wir können kaum hinhören. 

Wir sind so erschrocken. 

Wir rufen zu dir: Kyrie eleison – Herr erbarme dich 

2. Gott, 

wir haben Angst, wenn wir sehen, wie schnell das geht, 
dass Menschen aufeinander schießen,
dass Panzer und Truppen vorrücken, 
dass Krieg ausbricht. 
Wie kann das sein?
Macht ausüben ohne Rücksicht auf Verluste?
Das darf doch nicht passieren! 
Wo führt das noch hin?

Wir rufen zu dir: Kyrie eleison – Herr erbarme dich 

3. Gott, unser Herz, unsere Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine. 

So viel Leid, so viel Not und Gewalt. 

Was soll nur werden? 

Sie brauchen Kraft und Beistand! 

Sie brauchen Hoffnung!
Wer kann ihnen das geben angesichts dieser Eskalation? 

Wir rufen zu dir: Kyrie eleison – Herr erbarme dich 

4. Gott, wir kommen zu dir 

Mit Angst und Sorge. 

Wir wissen nicht, was kommt. 

Wir halten den Atem an. 

Und hoffen und beten: 

Dass letztlich Worte helfen – und nicht Waffen: 

Dass Verständigung möglich ist trotz allem. 

Dass Auswege gefunden werden.
Dass das Leid endet. 
Wir rufen zu dir: Kyrie eleison – Herr erbarme dich 

5. Unser Gott,
du bist dort, wo Menschen guten Willens 

Frieden und Versöhnung wagen, 

Gewalt ablehnen

und dennoch Unrecht beim Namen nennen, klar und deutlich. 

Dafür danken wir dir und bitten dich: 

Sei bei uns, 

wenn wir heute unsere Ängste und Sorgen teilen 

und Ausschau halten nach Hoffnung 

für die Menschen in der Ukraine und in Russland 

und für uns selbst. 
Amen


Gnadenspruch: Gott spricht: Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Hoffnung und Zukunft. (Jer 29)

Lied: Hewenu Schalom Alejchem

Zwei Gedanken 
Zwei Gedanken, die mich in diesen Tagen bewegen, möchte ich mit euch teilen. 
Der erste: 
Ja, die Ukraine ist weit weg, knapp 1000 km, kein NATO-Land. 
Ja, es gibt keine unmittelbare Kriegsgefahr für uns. 
Und gleichzeitig: 
Ja, die Ukraine ist nahe, nur knapp 1000 km entfernt, in Europa.
Was dort passiert, betrifft uns alle, stellt die Ordnung Europas auf den Kopf.
Mir ist wichtig, mit euch gemeinsam daran zu denken, 
dass es hier immer um einzelne Menschen und ihr Schicksal geht. 
Jede und jeder einzelne ist in unseren Augen ein Ebenbild Gottes. 
Jede und jeder einzelne ist wertvoll, unersetzbar, einzigartig. 
Jeder unsinnige Tod ist eine Tragödie, 
jeder Schmerz einer, der uns mitten ins Herz treffen sollte. 
So möchte mit euch heute an Menschen in der Ukraine denken, die es dort sicher gibt: 
Zum Beispiel an fünf Freundinnen und Freunde, die vorgestern noch in einem Cafè in Kiew saßen und mit Feuer im Herzen diskutierten, was sie tun würden, wenn…, aber es wie wir nicht wirklich glauben konnten, dass es passiert. Wie es ihnen jetzt wohl geht?
An zwei Fünftklässler, drei Abiturient*innen, eine hoffnungsvolle Studentin, die noch gestern in ihre Schulen und Unis gingen und heute gar nicht wissen, was da auf sie zurollt, wie es weiter geht, die zu Hause sitzen oder mit ihren Eltern auf der Flucht sind und Todesangst haben.
Auch an 4 russische Soldatinnen und Soldaten, die auf Befehl Putins jetzt angreifen und jeder von ihnen weiß, ich kann getötet werden und weiß, ich selber muss jetzt tatsächlich andere töten. Das wird mich mein Leben lang verfolgen.
Ich möchte mit euch an einen alten 85-jährigen Mann denken, der als Kind den II. Weltkrieg noch hautnah erlebt und überlebt hat, einen Krieg, der in der Sowjetunion, gerade auch in der Ukraine so schrecklich gewütet hat. Seine Erinnerungen werden jetzt wieder wach und seine Angst überwältigt ihn.
Oder an die 60-jährige Frau, die ihre Jugend und große Teile ihres Lebens in der Sowjetunion verbracht hat und das nicht wieder erleben möchte.
Das sollte uns immer klar sein. 
Bei allem geht es immer um einen Menschen, um einzelne Schicksale.
Das beste Gegengift gegen die Versuchung, auf Gewalt zu hören ist es, sich das zuzumuten,
nicht in Zahlen, nicht in die Ukrainer, die Russen zu denken, sondern es zu wagen, den einzelnen Menschen zu sehen, den Mann, die Frau, das Kind, auch wenn es einem das Herz zerreißt.

Ihnen rufen wir unseren tief empfunden Wunsch zu:

Liedzeile: Hewenu Schalom Alejchem 

Der zweite Gedanke: 
Worte schaffen ein Bild von der Wirklichkeit, beeinflussen Menschen und die handeln nach diesem Bild.
Das wisst ihr selber, wie sehr ein freundliches Wort euch beglücken und öffnen kann, wie schnell ein verletzendes Wort euren Tag und das Verhältnis zu anderen verdunkelt.
Viele Worte sind gefallen in den letzten Wochen zwischen den Staatschefs der Länder.
Die einen saßen mit dem Bild eines friedlichen Europas im Herzen an Putins langem Tisch.
Sie versuchten vorsichtige und klare Worte, 
suchten Verständigung,
hofften aus tiefstem Herzen, dass sich das doch irgendwie auswirkt, Frieden bewahrt, Ressentiments auflöst.
In der Kriegserklärung Putins hören wir die andere Sprache, die, die in diesen Tagen die Wirklichkeit bestimmt. 
Putin malt ein Bild von einem aggressiven Westen.
Er nennt die Regierung der Ukraine Nazis, stellt die Lüge eines Völkermords in den Raum.
Er behauptet, der Frieden seines Landes stehe in unmittelbarer Gefahr. 
Seine Worte bestimmen das Geschehen, schüren Hass und Ressentiments bei vielen seiner Landsleute, führen dazu, dass Bombe für Bombe, Schuss für Schuss fallen.


Haben nun die, die da am langen Tisch für den Frieden warben, verloren?
Haben sie sich lächerlich gemacht?
Einige sagen das.
Ich persönlich weise jeglichen Hohn zurück, dass Europa schwach sei, weil es die Sprache der Diplomatie gewählt hat und hoffentlich bei friedlichen Mitteln bleibt, um zu antworten.
Gewalt schreit immer nach Gegengewalt. 
Waffen auf der einen Seite rufen nach noch mehr auf der anderen. 
Drohung bedingt Gegendrohung nicht nur in der Ukraine, sondern überall in Europa. 
Das ist eine tödliche Logik. Eine Sackgasse ohne erkennbaren Ausweg. 
In die will ich nicht geraten. 
Ich glaube mit Dietrich Bonhoeffer, es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit und der Gewalt. 
Stark und mutig ist nicht, wer schießt.
Stark und mutig ist, wer im Angesicht bewaffneter Menschen immer noch auf den Weg der Versöhnung vertraut und dem anderen die Hand entgegenstreckt.

Das ist die Sprache und die Macht, auf die ich vertraue, 
die Sprache des Friedens und auch die Macht des Gebetes.

Ich glaube an einen Gott, der uns die Liebe ins Herz gepflanzt hat. 
Mit seinen Worten schafft er eine Wirklichkeit, in der wir alle gerecht und friedlich zusammen wohnen können.
Ich hoffe und bete darum, dass Gott mir, uns den Mut schenkt, komme was wolle, seinem liebevollen, achtungsvollen Bild vom Leben treu zu bleiben und danach zu handeln.
Und ich hoffe, dass wir als Schulgemeinde uns in diesem Vertrauen unterstützen, auf Gott vertrauen, der uns zuruft: 
Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Hoffnung und Zukunft.
Amen


Liedzeile: Hewenu Schalom Alejchem 


Fürbittengebet 

Schulpfarrerin: 
Wir antworten auf die einzelnen Bitten mit dem Satz aus der Bergpredigt: 
Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. 
Sprecht den Satz einmal mit mir. (Wiederholen)

Schöpfer, 
Retter, 

Geist in allen Dingen, 
mit unserer Angst und Sorge, mit unserem Mitgefühl,
mit unserem brennenden Wunsch nach Frieden stehen wir heute vor dir und

bitten dich: 

Schulleiterin:
Bleibe bei den Menschen in der Ukraine und in Russland. 

Bleibe auch bei den Mächtigen, die um Lösungen ringen. 

Schicke Funken deines Geistes in ihre Herzen.
Eröffne Wege des Friedens, die gangbar sind für alle. 
Dass sie alle einstimmen in Jesu Weisung: 

Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. 

Fachleiter Geschichte/PW:

Wir wissen aus unserer Geschichte, wie verheerend und wie lange die Folgen von Gewalt und Krieg Menschen und Familien prägen. 
Wir bitten dich, 
schenke uns alle Kraft, die wir brauchen, 
dass wir nicht in die Sprache der Gewalt einstimmen,
dass wir die Sprache der Demokratie und des Völkerrechts verteidigen
und die Würde jedes einzelnen Menschen. 
Wir stimmen ein in Jesu Wort: 

Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Elternvertreterin:

Bleibe bei uns in unserer Ohnmacht. 

Wo Gleichgültigkeit herrscht, 

entzünde die Flamme deiner Liebe. 

Wo Täuschung regiert, 

entlarve jede Lüge durch deine Wahrheit. 

Wo Angst lähmt, 

öffne Quellen der Anteilnahme. 

Gott, Schöpfer, Retter, Geist in allen Dingen 
– wir rufen zu dir mit den Worten Jesu: 

Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Schulsprecherinnen:
Vor dir, barmherziger Gott, 

denken wir an die Menschen in der Ukraine,

an Kinder und ihre Eltern, 

an junge und alte Menschen, 

an Verwundete und Sterbende, 

an Ukrainer und Russen. 

Vor dir, Barmherziger, 

denken wir an ihre Angst, ihre Sorgen und an ihren Schmerz in diesen schrecklichen Tagen. 
Stehe ihnen bei. 
Lass uns ihnen hilfreich zur Seite stehen, 
mit allen friedlichen Mitteln, mit all unserer Kraft.
Schenke ihnen das Vertrauen, dass die siegen, 
die mit den Worten Jesu bekennen: 
Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.
 

Schulpfarrerin:

Gott, wir bringen vor dich, was uns in diesen Tagen bewegt,
gedenken in der Stille aller, die dem Strudel der Gewalt ausgesetzt sind. 
– Stille – 


Lass es wahr werden durch uns,
durch unser Vertrauen,
durch unsere Liebe,
durch unseren Glauben an Frieden und Gerechtigkeit, was Jesus uns lehrte:
Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Mit seinen Worten beten wir: 
Vater Unser
Segen 

Ähnliche Beiträge